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Caputh schlängelt sich am Ufer der Havel entlang. Obwohl die damals noch voller dicker Fische war, besaßen die Einwohner jahrhundertelang keine Fischereirechte. Dadurch aber konnte sich der Ort nur im Schneckentempo entwickeln, blieb klein und vor allem arm, denn bei dürftigem Tagelohn kann niemand groß von sich Reden machen!

Mit dem Aufblühen Berlins kam die Chance für Caputh: Wenn es nicht von der Havel leben durfte, warum dann nicht auf ihr? Der Wasserweg zwischen Berlin und Hamburg führte doch genau an den Caputher Haustüren vorbei! Dass man nicht schon längst darauf gekommen war! Also wurden Kähne gebaut, zuerst wenige und kleine, dann viele und immer größere. Damit brachte man vor allem im Glindower Raum gebrannte Ziegelsteine ins aufstrebende Berlin. Dort konnten es gar nicht genug davon sein. Glindow produzierte Unmengen und die Caputher transportierten sie! Was die Tragekiepe für die Frau war, wurde die Ziegelkarre für den Mann. Das 19. Jahrhundert war in vollem Gange und mit ihm die große Zeit der Caputher Schiffer. Nun gab es für das Dorf kein Halten mehr. Es wuchs und wuchs und platzte aus allen Nähten. Die wirklich Reichen aber kamen ein paar Jahrzehnte später aus Berlin und bauten sich ihre Sommervillen auf dem Krähenberg und am Wasser. Aber da sie es bequem haben wollten, bauten sie auch bessere Straßen und 1923 sogar einen Bahnhof. Und davon hatten nun auch wieder die Caputher ihren Nutzen. Vor allem aber war inzwischen das Auto erfunden. Der Kahn war "out". Da war es gut, dass der Caputher Gutsbesitzer August von Thümen schon vor Jahren sein Land parzelliert und an die inzwischen zu bescheidenem Wohlstand gekommenen Caputher verpachtet hatte. Der Obstbau hatte begonnen. Der Löwenanteil der Kirschen, Erd-, Stachel- und Johannisbeeren landete allerdings in Berliner Bäuchen. Erst der 13. August 1961 machte dem ein Ende.

Nun wurde es ruhiger hier, doch der makellose Empfang des Westfernsehens und eine noch dazu schöne Umgebung aus Wasser und Wald verbunden mit der Hoffnung, in Berliner Läden das eine oder andere lang Gesuchte zu ergattern, lockten viele Urlauber aus dem "Tal der Ahnungslosen" zu uns. Seit der Wende ist es wieder ruhiger geworden, denn die Sachsen fahren nun nach Mallorca. Dafür kommen jetzt die Berliner, die davon schon die Nase voll haben. Die Jungen wollen aus ihren Betonklötzen raus und die Alten wollen sehen, ob alles noch so wunderbar wie früher ist. Wir geben uns auch große Mühe, dass das, was noch nicht wieder schön ist, bald noch schöner sein wird. Dass dabei manches über das Ziel hinaus schießt, ist traurige Tatsache. Der Wunsch vieler, sich in unserer idyllischen Gegend neu anzusiedeln, darf nicht zur Zerstörung der Idylle führen! Ich fände es schöner, wenn auch im Ortskern hier und da ein Eckchen bliebe, wo auch noch ein Löwenzahn seine Chance hat. Wer durch den Ort spazieren will, benötigt fast eine Stunde. Am Ortsausgang nach Potsdam findet er am Waldrand in der Nähe des Templiner Sees, der damals noch nicht durch einen künstlichen Damm geteilt war, Einsteins Sommerhaus. Er lebte hier von 1929 bis 1932. Auf ausgedehnten Wanderungen durchstreifte er Wald und Flur, war als einsamer Segler bekannt und viel weniger weltfremd, als allgemein angenommen wird.

Caputh war damals wie heute beliebter Wohn- und Arbeitsplatz der Künstlerwelt. So wie sich das Havelwasser wohlig im Schwielowsee ausbreitet, bevor es seinen Weg im Flussbett wieder aufnimmt, so scheinen die stadtgeplagten Künstler hier zeitweilig Ruhe und Inspiration für ihre Arbeit gefunden zu haben. Die Havelländische Malerkolonie bewies und beweist es. Die einen kamen nur für wenige Tage, waren vielleicht nur auf der Durchreise und fühlten sich festgehalten von der Landschaft, deren Schönheit man sich erst erschließen muss oder von den ganz besonderen Lichtverhältnissen am Schwielowsee, den besonders die Abendsonne zuweilen in eine unwirkliche Schönheit taucht. Viele Künstler gaben ihren Gefühle eindrucksvoll mit Pinsel und Farbe Ausdruck und zogen dann bereichert weiter. Andere blieben Monate, Jahre, für immer. Einer der kam und auch für immer blieb war Magnus Zeller.

In seinem Atelier versammelte er in den 60er Jahren talentierte junge Leute und verhalf einigen von ihnen auf ihren künstlerischen Weg. Er fand 1972 seine letzte Ruhestätte auf dem Caputher Waldfriedhof. Nicht alle, die in Caputh lebten und arbeiteten, wurden so bekannt wie Zeller. Meine Großmutter führte eine Fleischerei. Das Schuldenmachen war damals nicht nur in Künstlerkreisen weit verbreitet. Auch große Teile der Bevölkerung bezahlten erst nach der Obsternte, und selbst Einsteins ließen anschreiben. Die Künstler aber brachten, wenn die Mahnungen der Geschäftsfrau zu häufig wurden und somit Gefahr im Verzug war, gerne eins ihrer Bilder und versuchten damit die Schuld zu tilgen. Entweder kauften Zellers nicht bei meiner Großmutter oder sie konnten schon damals immer ihre Rechnungen begleichen. Schade!

Caputh hatte bereits anno dazumal etwas zu bieten. Vor 400 Jahren ließ der Brandenburgische Kurfürst ein Schlösschen für die Frau Kurfürstin errichten, das im Dreißigjährigen Krieg jedoch zerstört wurde. Der Große Kurfürst schenkte diesen Trümmerhaufen 1662 seinem Baumeister Philipp de Chieze, in der Hoffnung, der würde das Schloss aus eigenen Mitteln wieder aufbauen. Die Rechnung ging auf, doch bis heute ist unklar, warum sich de Chieze schon wenige Jahre danach mit seiner jungen Frau, er hatte gerade erst zum zweiten Mal geheiratet, 1670 auf ein anderes Gut abdrängen ließ. Das fast neue Haus in Caputh erhielt der Schenker zurück, der es wiederum seiner Gemahlin Dorothea überließ. Clever eingefädelt würde man das heute nennen, oder?

Bis 1813 blieb Schloss Caputh in königlichem Besitz, mehr oder weniger geliebt und benutzt. Sieben Jahre brauchten die Beamten, um es rechtswirksam zu veräußern. Schließlich kaufte es sich 1820 der 63-jährige General a.D. August von Thümen, der Großvater des Landverpächters, als Ruhesitz und nahm die Güter Caputh und Neu- Langerwisch in Erbpacht. In der alten Familienchronik derer von Thümen erfährt man, dass August bereits als elfjähriger Bub Junker im Potsdamer Kronprinzenregiment wurde. Ein Jahr später legte er den Fahneneid ab. Da er körperlich aber noch so schwach war, dass er die Fahne gar nicht tragen konnte, beurlaubte man ihn zu seinem großen Kummer noch ein weiteres Jahr. Später muss er sich aber herausgemacht haben, denn er beendete seine militärische Laufbahn nach 50 Jahren als Oberbefehlshaber der Garnison und Festung Spandau, wo man ihn noch heute als Standbild bewundern kann. Seine Familie und ihre Erben lebten in Caputh bis 1945.

Heute erstrahlt das Schloss schöner denn je, ist der Stolz aller Caputher und erfreut als Museum seine zahlreichen Besucher. Nicht weit entfernt steht die ebenfalls restaurierte Stüler-Kirche, die 1852 durch König Friedrich Wilhelm IV. höchstpersönlich eingeweiht wurde. Schloss und Kirche sind Spielstätten der seit 1995 bestehenden "Caputher Musiken". In den zurückliegenden Jahren hat sich ein begeistertes Stammpublikum gebildet, das besonders gern nach Caputh kommt um das interessante Musikangebot aller Stilepochen zu erleben.

Vergessen Sie nicht, einmal mit unserer Fähre über's Gemünde zu schippern! Eine Seilfähre existiert hier seit 1853, damals jedoch noch mit Handbetrieb. Wenn Sie allerdings von auswärts sind und einen dieser neunmalklugen, Weg weisenden Computer an Bord haben, dann seien Sie auf der Hut! Da hat mal so ein Ding unsere „Tussy" für eine Brücke gehalten und der Fahrer ist erst aufgewacht, als seine Nobelkarosse schon in der Havel schwamm. Wir fanden's lustig!

Von der Archivarin Carmen Hohlfeld